Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem am 18. Mai 2017 verkündeten Urteil (Az. C-617/15) die Rechte von Markeninhabern gestärkt. Nach der Entscheidung des EuGH ist Art. 97 Abs. 1 der Unionsmarkenverordnung dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige rechtlich selbständige Gesellschaft, die eine Enkelgesellschaft eines Stammhauses ist, das seinen Sitz nicht in der Union hat, eine „Niederlassung“ dieses Stammhauses im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn diese Enkelgesellschaft einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit bildet und in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich befindet, über eine bestimmte reale und konstante Präsenz verfügt, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird, und sie auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt.
Nach der Unionsmarkenverordnung (UMV) sind für Klagen wegen Markenverletzung die Gerichte des Mitgliedstaats EU-weit zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder — in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat — eine Niederlassung hat. Hat der Beklagte weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung in einem der Mitgliedstaaten, so sind für diese Verfahren die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Kläger seinen Wohnsitz oder — in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat — eine Niederlassung hat. Hat weder der Beklagte noch der Kläger einen Wohnsitz oder eine Niederlassung in einem der Mitgliedstaaten, so ist eine EU-weite Zuständigkeit nur beim Handelsgericht in Alicante gegeben.
Die meisten Gerichte haben rechtlich selbständige Konzerngesellschaften bisher nicht als Niederlassung im Sinne der UMV anerkannt. In der Praxis führte dies dazu, dass Markeninhaber oftmals in jedem betroffenen EU-Mitgliedstaat einzeln gegen die Vertriebsgesellschaften des Verletzers vorgehen mussten. Der EuGH hat nun entschieden, dass der Begriff der Niederlassung im Sinne der UMV auch rechtlich selbständige Konzerngesellschaften erfasst. Der Umstand, dass die in dem Mitgliedstaat, dessen Gerichte angerufen wurden, ansässige Gesellschaft eine Enkelgesellschaft einer Gesellschaft, deren Sitz außerhalb der Union liegt, und nicht eine unmittelbare Tochtergesellschaft dieser Gesellschaft ist, sei irrelevant, sofern diese Enkelgesellschaft einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit bildet und in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich befindet, über eine bestimmte reale und konstante Präsenz verfügt, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird, und sie auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt. Auch spiele es grundsätzlich keine Rolle, ob die so bestimmte Niederlassung an der behaupteten Verletzung beteiligt war oder nicht.
Thies Bösling, Vertreter der Klägerin vor dem EuGH: „Das heutige Urteil stärkt die Position von Markeninhabern gegenüber Konzernen mit Sitz außerhalb der EU erheblich. Der Anknüpfungspunkt der ‚Niederlassung’ war zur Begründung unionsweiter Zuständigkeit in der Praxis bisher kaum relevant. Fasst man allerdings auch rechtlich selbstständige Konzerngesellschaften darunter, gewinnt die Regelung erheblich an Bedeutung. Eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der EU wird sich bei international tätigen Konzernen in der Regel finden lassen.“